Es «wahlkampfet» wieder

Landauf, landab präsentieren sich die Politiker auf Plakatständern am Wegrand und empfehlen sich für ein Amt in Bern. Man kann über die Art der Präsentation denken, was man will. Aber Hand aufs Herz: Wollen Sie in Bern vertreten werden durch zwei Herren, die demonstrativ ihre Arme verschränken? Wenn sie jetzt schon offensichtlich die Arbeit scheuen, was werden sie wohl in Bern für uns ausrichten? Sie werden sich gemäss Aussage auf dem Plakat gegen die Reglementierung in der Landwirtschaft wehren. Gehen wir doch dem mal auf den Grund: Gemäss Agrarbericht 2018 werden pro Jahr 2800 Millionen Franken an Direktzahlungen ausbezahlt. Bei etwa
50 000 Landwirtschaftsbetrieben sind das pro Betrieb 56 000 Franken. Das macht schon Sinn, denn die Bauern sind für die Schweiz wichtig. Vielleicht gleich wichtig wie das Pflegepersonal, die Lehrer, die Polizisten und noch viele andere Berufe.
Bauern in der Schweiz haben auf dem freien Markt fast keine Chance, denn das Ausland produziert billiger. Schutzzölle sind nur in geringem Ausmass möglich. Deshalb unterstützt der Staat die Bauern, und das ist auch richtig so. Die Bauern selber sehen sich aber nicht als staatliche Angestellte (wie das Pflegepersonal, die Lehrer, die Polizisten …), obwohl sie das bei einer durchschnittlichen Direktzahlung von 56 000 Franken pro Betrieb eigentlich sind. Die Bauernlobby hat deshalb an ganz vielen Gesetzen und Verordnungen mitgeschrieben. Es heisst nun nicht Lohn, sondern leicht beschönigend Direktzahlungen. Damit wird vernebelt, dass viele Bauern ohne staatliche Fürsorge kaum über die Runden kommen. Die Bauernlobby trägt somit sicher ihren Anteil mit am Paragrafendschungel in der landwirtschaftlichen Gesetzgebung. Aus der beruflichen Erfahrung als Jurist weiss ich, dass es gar nicht so einfach ist, ein optimales und auch noch korrektes Gesuch um Direktzahlungen zu stellen. Da verstehe ich den Ärger über die unzähligen Formulare und Computerprogramme schon. Auch mir ist der Bauer auf dem Traktor oder im Stall lieber als der am Bildschirm. Wäre es deshalb nicht einfacher und ehrlicher, man würde den Bauern anstelle von undurchsichtigen und komplizierten Direktzahlungen einfach ein Grundeinkommen ausbezahlen? Bedingungslos?
Falls meine beiden SVP-Plakat-Kollegen nach Bern gewählt werden und ich auch dort Politik machen darf, dann können wir drei das mit dem bedingungslosen Grundeinkommen für Bauern ja noch im Detail besprechen. Ich hoffe, sie haben bis dann die Arme nicht mehr verschränkt.

Andreas Jenni , Rheinau, SP Weinland
Kandidat Nationalrat Liste 2

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Ein ausgesprochen «effizienter» Morgen – auf dem Buckel von Einzelinitiativen

Der Kantonsrat war gestern in Frühlingsputzstimmung. Es wurde richtig aufgeräumt. In 3 ½ Stunden Sitzung wurden nicht weniger als 25 Traktanden abgehakt. Im Schnitt benötigten wir nur gerade 8.4 Minuten pro Geschäft.

Wie ist das möglich? Lässt sich das mit seriöser Parlamentsarbeit überhaupt noch vereinbaren? Die Antwort ist nicht ganz einfach. Zum einen standen am Anfang des Morgens zwei unumstrittene Wahlgeschäfte auf dem Programm. Gefolgt wurden sie von nicht weniger als sieben sogenannten «Entgegennahmen»; dabei geht es darum, neue Postulate und Motionen aus dem Rat, welchen die Regierung positiv gegenübersteht, und welche im Rat unbestritten sind, definitiv an den Regierungsrat zur Bearbeitung zu überweisen. Jedes Mitglied des Rates hat aber das Recht, gegen die Direktüberweisung eines Postulat oder einer Motion ein Veto einzulegen; sie wird dann in die Tiefen der Traktandenliste verbannt; erst nach einer Wartezeit von oft mehr als einem Jahr entscheidet dann der Rat nach Diskussion und mit Mehrheitsentscheid, ob der Vorstoss effektiv an die Regierung überwiesen werden soll oder nicht. Der Kantonsrat meinte es gestern gut mit den EinreicherInnen der Vorstösse: sechs wurden direkt an die Regierung weitergeleitet, nur ein einziger in die lange Warteschlaufe geschickt.

Zwei völlig unbestrittene Vorlagen, eine Anpassung der Gebührenordnung der Gemeindeammannämter und die Abrechnung des Rahmenkredits des Theaters für den Kanton Zürich wurden ohne Diskussion, im schriftlichen Verfahren erledigt.

Nicht weniger als 10 Einzelinitiativen wurden daraufhin im Eilverfahren behandelt. Mit der Einzelinitiative können alle Stimmberechtigte als Einzelpersonen, dem Kantonsrat einen Vorschlag für eine neue Regelung oder eine Gesetzesänderung unterbreiten. Unterstützen mindestens 60 KantonsrätInnen (d. h. ein Drittel des Rates) die Einzelinitiative wird sie an eine Kommission zur Diskussion und Antragstellung überwiesen.

Nicht eine einzige dieser Einzelinitiativen wurde vorläufig unterstützt. Über die meisten wurde ohne Diskussion abgestimmt, einige wenigen blühte das gleiche Schicksal nach einer kurzen Diskussion. Am nächsten an einen Erfolg kam der Vorschlag, Sport künftig an den Zürcher Gymnasien als Promotionsfach zu führen. Auch dieser Einzelinitiative fehlten aber am Schluss mehr als 10 Stimmen zur vorläufigen Unterstützung. Dass der Kantonsrat mit Einzelinitiativen meist kurzen Prozess macht, hat durchaus gute Gründe. Die meisten Vorschläge sind gut gemeint, aber wenig durchdacht; oft greifen sie auch Themen auf, die nicht auf kantonaler Ebene, sondern durch den Bund geregelt werden müssen.

Wer mit einer Einzelinitiative Erfolg haben möchte, ist gut beraten, seine Idee mit erfahrenen Ratsmitgliedern oder noch besser mit einer Fraktion vorzubesprechen und sich so Unterstützung zu holen. In der laufenden Legislatur brachte es eine Gruppe von SchülerInnen so fertig, eine Mehrheit im Kantonsrat für Jokertage an den kantonalen Mittelschulen herauszuholen. Das ist zwar keine Revolution, zeigt aber, dass das Instrument der Einzelinitiative, geschickt eingesetzt, durchaus effizient sein kann.

Markus Späth-Walter, Kantonsrat, SP-Fraktionspräsident, Feuerthalen