«Augen zu und durch» …

Die rechtsbürgerliche Mehrheit hat im Kantonsrat in den letzten vier Jahren nach dem Motto «Augen zu und durch» politisiert. Im Bewusstsein ihrer klaren Mehrheit hat sie es nicht für nötig befunden, mit der links-grünen Minderheit Gespräche zu führen und «lagerübergreifende» Lösungen zu erarbeiten. Das Resultat ist bekannt: Immer wieder hat Links-Grün das Referendum ergriffen und … in den Volksabstimmungen Recht bekommen.

Ein letztes (?) Beispiel dieser Powergame-Politik haben SVP, FDP und ihre Mitte-Verbündeten gestern durchexerziert. Der Rat hat die kantonale Umsetzung der Unternehmenssteuerreform 17 verabschiedet. Falls das Volk in der eidgenössischen Abstimmung im Mai der Steuer-AHV-Vorlage (STAF) zustimmt, soll im September in Zürich in einem obligatorischen Referendum über das Schicksal der kantonalen Unternehmenssteuerreform (SV17) entschieden werden.

Die SV17-Vorlage sieht vor, die Gewinnsteuern von 8 auf 7% zu senken – also um nicht weniger als 12.5%. Zusätzlich sollen sämtliche Steuervermeidungsinstrumenten für Unternehmen, welche der Bund den Kantonen zur Verfügung stellt, so grosszügig wie irgend möglich eingeführt werden. Sämtliche Anträge die Steuerschlupflöcher etwas einzugrenzen, wurden von der Mehrheit verworfen. Die Folgen liegen auf der Hand: Alle mittleren und grösseren Unternehmen werden mit Hilfe ihrer spezialisierten Steueranwälte Steueroptimierung betreiben und ihre Steuern so gut wie möglich minimieren. Das ist völlig legal und von der bürgerlichen Mehrheit gewollt. Dem Staat werden Hunderte von Millionen Franken Steuereinnahmen entgehen, die Wirtschaft wird sich immer weniger an der Finanzierung der Infrastruktur, der Bildung, des Gesundheitswesens, der Rechtsordnung beteiligen – alles Standortfaktoren, die eigentlich erst ein erfolgreiches Wirtschaften ermöglichen. Anders als in Baselstadt oder in der Waadt verzichtet die Mehrheit in Zürich darauf, das ganze Steuervermeidungspaket für die Wirtschaft sozial abzufedern. Die Steuerausfälle der Gemeinden und Städte (und zum Teil der Kirchen) werden zwar kompensiert, indem der Kanton seinen Anteil an der Finanzierung der Zusatzleistungen zu AHV und IV auf 50% erhöht. Anträge, über eine Erhöhung der Familienzulagen auch der Bevölkerung etwas zurückzugeben, blieben chancenlos.

Damit ist die Ausgangslage für die Volksabstimmung im September klar. SP und Grüne werden das Steuervermeidungspaket vehement bekämpfen. Die Aussichten auf einen erneuten Abstimmungserfolg sind gut, schliesslich haben die ZürcherInnen im Februar 2017 die Unternehmenssteuerreform, die ähnlich unausgewogen war, mit 62% Nein deutlich verworfen.

Daneben gab an der gestrigen Sitzung des Kantonsrats natürlich auch der Kahlschlag bei der Zürcher SVP zu reden: Dass der alte Poltergeist von Herrliberg einfach so an einer Kadersitzung seiner Partei auftauchen kann, um «schuppdiwupp» die ganze Spitze der Partei abzuservieren, löste überall ungläubiges Kopfschütteln aus. Was das mit schweizerischer Demokratie zu tun hat, welche ja gerade die SVP theoretisch so hochhält, ist nicht nachvollziehbar. Konrad Langhart, dem unwürdig verabschiedeten Parteipräsidenten, ist zu gratulieren, dass er seinen undankbaren Job rasch wieder losgeworden ist. Er hätte einen anderen, würdevolleren Abgang verdient.

Markus Späth-Walter, Kantonsrat, SP-Fraktionspräsident, Feuerthalen