Viel Blumen, feierliche Reden und keine Überraschungen

Kantonsratskolumne 6. Mai 2019

Ein Ratsaal mit reichem Blumenschmuck, eine überfüllte Tribüne, der vollständige Regierungsrat auf dem Podest und ungewöhnliche Ruhe im Saal bei den ersten Reden: So präsentiert sich der Kantonsrat nur einmal alle vier Jahre, bei der feierlichen Konstituierung zu Beginn der neuen Legislatur.

Traditionell eröffnen das jüngste und das älteste Mitglied des Rates mit einer kurzen Rede die Sitzung. Leandra Columberg (19, SP, Dübendorf) stellt die Frage nach der Legimitation des gewählten Kantonsrats ins Zentrum ihrer Überlegungen. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 33%, und beim fehlenden Wahlrecht für einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung (AusländerInnen) haben sogar effektiv nur ein Fünftel aller im Kanton lebenden Erwachsenen sich an der Wahl beteiligt. Demokratie aber lebt von der Partizipation aller. Als nur von einer Minderheit gewählte PolitikerInnen kommt allen Ratsmitgliedern eine Bringschuld zu, nicht nur gegenüber den WählerInnen, sondern auch gegenüber jenen, die nicht partizipieren können und wollen. Zuhören sei für sie deshalb ein ganz wichtiges Ziel für die politische Tätigkeit. Dazu gehöre auch Offenheit gegenüber den Enttäuschten und vor allem auch gegenüber den Jungen, die mit den Entscheidungen dieses Rates noch am längsten werden leben müssen.

Valentin Landmann (69, SVP, Zürich) eröffnete seine Begrüssungsansprache als ältestes Ratsmitglied mit einem Zitat eines amerikanischen Politikers aus dem 18. Jahrhundert: «Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren.» Nicht nur Amerika habe sich auf diesen gefährlichen Pfad begeben, sondern auch in der Schweiz werden die Freiheitsrechte im Kampf gegen Terror und Kriminalität mehr und mehr in Frage gestellt. Er forderte den bunter gewordenen Rat auf, von ständigen Verschärfungen der entsprechenden Gesetze abzusehen und über die Parteigrenzen hinweg ohne Blockdenken für die Freiheit und die Menschenrechte zu kämpfen.

Anschliessend wählte der Rat den bisherigen 1. Vizepräsidenten, den Winterthurer FDP-Kantonsrat Dieter Kläy mit brillanten 174 (von 177) Stimmen zu seinem neuen Vorsitzenden. Ein fast ebenso gutes Resultat erzielte Roman Schmid mit 165 Stimmen bei der Wahl des 1. Vizepräsidenten und der bisherige Fraktionspräsident der Grünliberalen, Benno Scherrer, mit 146 Stimmen als 2. Vizepräsident.

Die übrigen Mitglieder der Geschäftsleitung des Kantonsrats und alle ständigen Kommissionen (fünf Aufsichtskommissionen und sieben gesetzgebende Sachkommissionen) wurden in offener Wahl durchgeführt. Die Interfraktionelle Konferenz hat im Vorfeld der konstituierenden Sitzung in intensiven Verhandlungen und nach klaren Regeln die 160 Sitze strikt nach Parteienproporz verteilt. Die Fraktionen haben anschliessend ihre Vertretungen in den einzelnen Kommissionen nominiert mit dem Resultat, dass die Kommissionsbesetzung einvernehmlich und damit in kurzer Zeit vorgenommen werde konnte.

Nach der Vereidigung zog sich die Regierung in den Regierungsratssaal zurück, um sich selber zu konstituieren. Die Regierung hat allen Einflüsterungen und Druckversuchen widerstanden und die Verteilung der Direktionen wie erwartet und absolut vernünftig wie folgt vorgenommen:

  • Direktion der Justiz und des Inneren: Jacqueline Fehr (Stellvertretung Nathalie Rickli)
  • Sicherheitsdirektion: Mario Fehr (Carmen Walker Späh)
  • Finanzdirektion: Ernst Stocker (Mario Fehr)
  • Volkswirtschaftsdirektion: Carmen Walker Späh (Martin Neukom)
  • Gesundheitsdirektion: Nathalie Rickli (Silvia Steiner
  • Bildungsdirektion: Silvia Steiner (Jacqueline Fehr)
  • Baudirektion: Martin Neukom (Ernst Stocker)

Regierungspräsidentin für das Amtsjahr 2019/2020 wird Carmen Walker Späh, Stellvertreterin Silvia Steiner. Damit ist Zürich, zumindest was die Regierungsspitze betrifft, fest in Frauenhand – sicher ein gutes Zeichen im Jahr des grossen Frauenstreiks.

Markus Späth-Walter, Kantonsrat, SP-Fraktionspräsident, Feuerthalen