Regierung auf politischen Abwegen

Kantonsratskolumne von Markus Späth-Walter, Kantonsrat, SP-Fraktionspräsident, Feuerthalen

Die Strassenbaupolitik stand im Zentrum der gestrigen Kantonsratssitzung. Das Bauprogramm der Regierung für die Jahre 2019 bis 2012 wurde eingehend diskutiert und zustimmend zur Kenntnis genommen. Zwei wichtige Änderungen des Strassengesetzes wurden in zweiter Lesung ohne Diskussion genehmigt: Neu sollen in den Gemeinden die Interessen des öffentlichen Verkehrs in der Strassengestaltung prioritär, jene der Fussgänger und Velofahrenden angemessen berücksichtigt werden. Die traditionelle einseitige Bevorzugung des Autoverkehrs wird damit etwas relativiert, Begegnungszonen sollen in Zukunft leichter realisiert werden können. In Zukunft sollen zudem die Gemeinden für den Unterhalt ihrer eigenen Strassen auch auf den Strassenfonds zurückgreifen können. 20% der jährlichen Einlagen in diesen Fonds sollen dafür mindestens verwendet werden. Das stellt eine deutliche Entlastung der Gemeindefinanzen dar.

Vor der Pause wurde die direkte Intervention von fünf der sieben Regierungsratsmitglieder in den Ständeratswahlkampf aufgegriffen. Mit ihrem Wahlinserat zugunsten des bürgerlichen Ständeratskandidaten hat die regierungsrätliche Mehrheit einen gravierenden Tabubruch begangen. Die gemeinsame Fraktionserklärung der Grünen und der SP kritisiert die fünf RegierungsrätInnen unter Leitung der Regierungspräsidentin scharf, die den Wahlaufruf zugunsten des FDP-Kandidaten unterzeichnet und dabei auf ihre Funktion als Mitglieder der Regierung hingewiesen haben. Die Fraktionserklärung hält fest, dass die Regierung damit ihr Prestige missbraucht habe und jegliches demokratische Fingerspitzengefühl vermissen lasse.

Nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichtes müssen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bei Urnengängen unverfälscht ihre Meinung bilden können. Deshalb ist es den Exekutiven verboten, sich in Wahlkämpfe einzumischen. Im vorliegenden Fall wurde dieser Grundsatz von der Mehrheit der Regierung ganz offensichtlich krass missachtet.

Gerügt wurde zudem, dass die gleichen fünf Regierungsmitglieder letzte Woche am Entscheid über eine Stimmrechtsbeschwerde der Juso mitwirkten und damit in eigener Sache entschieden haben. Ein solches Verhalten lasse sich mit den gängigen politischen Ausstandsregeln schlicht nicht vereinbaren.

SP und Grüne begrüssten deshalb den Weiterzug der Stimmrechtsbeschwerde an die nächste Instanz. Die Beurteilung des regierungsrätlichen Fehlverhaltens durch ein unabhängiges und unbefangenes Gericht sei dringend nötig. Zudem soll bei der Geschäftsleitung des Kantonsrates beantragt werden, das Verhalten der Regierung bei Wahlkämpfen in einer Aussprache mit den betreffenden Mitgliedern des Regierungsrates direkt zu klären.

In Feuerthalen bin ich selber ja auch Miglied der Exekutive. Es würde mir und meinen KollegInnen nicht einmal im Traum einfallen, uns als Gemeinderäte mit einer Wahlempfehlung in einen Wahlkampf einzumischen. Was auf Gemeindeebene gelebte Praxis ist, sollte für die Regierung, der in solchen Fragen eine Vorbildrolle zukommt, selbstverständlich sein …

An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen …

Vor einer Woche wurden zwei Vorstösse der GLP und der SP vom Kantonsrat dringlich erklärt, welche beide die Ausrufung des Klimanotstandes fordern. Der Regierungsrat soll beauftragt werden, eine Strategie auszuarbeiten, um die CO2-Emissionen im Kanton Zürich bis spätestens 2050 auf Null zu senken, und Massnahmen ergreifen, um die globale Erwärmung auf unter 1.5°C zu begrenzen.

Beide Vorstösse erhielten je 80 Stimmen, das genügt zwar für eine Dringlich-Erklärung, wird aber nicht für eine definitiven Überweisung an den Regierungsrat reichen. Die beiden grossen bürgerlichen Fraktionen, die SVP und die FDP waren gegen die Vorstösse und warfen den unterstützenden Fraktionen vor, reine Symbolpolitik zu betreiben. Sie sollten besser konkrete Vorschläge einreichen …

Links-Grün verwies völlig zu Recht darauf, dass solche sehr konkreten Vorschläge längst eingereicht seien, bisher aber entweder an den unerträglich langen Wartefristen für parlamentarische Vorstösse oder am Widerstand von SVP und FDP gescheitert seien. Gestern nun beantragte Rot-Grün gleich zu Beginn der Kantonsratssitzung, drei parlamentarische Initiativen aus den Tiefen der Traktandenliste so weit nach vorn zu holen, dass sie noch an der gestrigen Sitzung behandelt werden könnten. Die drei Vorstösse fordern die Einführung einer Kerosinsteuer auf Flugtreibstoffe, einen Klimaschutzartikel in der Kantonsverfassung und den Ausstieg der ZKB aus allen fossilen Investitionen. Obschon sie so konkret sind wie nur irgend möglich, waren SVP und FDP auch diesmal dagegen und sorgten zusammen mit der EDU und der CVP dafür, dass die Klimapolitik einmal mehr auf die lange Bank geschoben wurde.

Dafür wurde dann ein wirkungsloser Vorstoss aus der Feder des CVP-Fraktionspräsidenten zur Förderung von Biogas («Die Erfüllung von kantonalen Energievorschriften im Gebäudebereich kann durch den Bezug von erneuerbarem Gas erfolgen.») von eben den Parteien unterstützt, welche eine Stunde zuvor die Behandlung der viel wirksameren Initiativen ganz ohne Begründung abgelehnt hatten.

Dass sich in der SVP Hardcore-Klimawandel-Leugner tummeln, ist nichts Neues. Die SVP war noch nie eine Partei, die sich ernsthaft um ökologische Lösungen bemüht hätte. Sie ist klimapolitisch das Problem, nicht die Lösung. Viel ärgerlicher ist aber das Verhalten der FDP. Dass ihre Parteipräsidentin kurz vor den Wahlen plötzlich die Klimapolitik entdeckt und eine von oben verordnete Wende in der Umweltpolitik ankündigt, ist ja durchaus erfreulich und bietet Perspektiven für die nächsten vier Jahren. Das Problem ist nur, dass in der FDP-Fraktion im Kantonsrat davon nichts, aber auch gar nichts zu spüren ist – mindestens bis gestern Nachmittag nicht. Vielleicht bringen die Wahlen am nächsten Wochenende ja dann tatsächlich den dringend nötigen Wandel …

Markus Späth-Walter, Kantonsrat, SP-Fraktionspräsident, Feuerthalen